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Marktanalyse: Folgt ein heißer Herbst auf einen heißen Sommer?

Thomas Neuhold

Der heurige Sommer war heiß in vielerlei Hinsicht: Das Wetter, geopolitische Entwicklungen (Ukraine, Taiwan), der europäische Energiemarkt sowie der zurückkehrende Risikoappetit. Zugegebenermaßen hat sich letzterer aus einem Zustand extremer Skepsis mit dem „R“- Wort auf vielen Titelseiten entwickelt. Allerdings sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben und wir sehen ein hohes Risiko, dass die Aktienmärkte die heurigen Tiefststände in den nächsten Wochen wieder antasten. 

Das Wort "Unsicherheit" beschreibt am besten die aktuelle makroökonomische Situation. Vorhersagen sind im Moment sehr schwierig: Die Beziehung zwischen China und den USA hat sich deutlich verschlechtert, der Ukraine/Russlandkrieg zeigt keine Anzeichen einer Entspannung und Rationierungen auf den europäischen Energiemärkten scheinen im kommenden Winter möglich. Auf der anderen Seite steigen die Vorräte an vielen Gütern wieder, die Handelsvolumina zwischen China und dem Westen steigen und Transportkosten kühlen sich ab. 

Während unsere vorsichtige Einschätzung von riskanten Vermögensklassen ziemlich mit dem Konsensus übereinstimmt, sind wir nicht der Meinung vieler Investoren, dass ein Rückgang der Inflation einen Rückgang in den Zinsen auslösen wird, was Aktien, insbesondere Wachstumsaktien weiter beflügeln wird. Wir gehen davon aus, dass die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen wahrscheinlich nicht unter 2,5% in den nächsten Monaten sinken wird, selbst wenn sich die Inflationsraten positiv entwickeln werden. Ein Unterschreiten von 2,5% erscheint nur in einem stärkeren Rezessionsszenario wahrscheinlich, was für Aktien aufgrund stärkerer Gewinnrückgänge nicht positiv wäre. Die Logik einiger Investoren, dass man Wachstumsaktien aufgrund bevorstehender Renditerückgänge bei US-Staatsanleihen wieder höher gewichten sollte, ist ein Indiz für uns, dass der Bärenmarkt bei Wachstumsaktien noch nicht vorbei ist. 

In einem Szenario eines synchronisierten globalen Abschwungs wird die Inflation zwar sinken, aber der Druck auf Unternehmensgewinne wird steigen. Eine Ausweitung der Bewertungsmultiples scheint in diesem Szenario wenig wahrscheinlich. Auch die USA werden sich diesem Trend nicht entziehen können, zumal ein sehr starker US-Dollar die internationalen Gewinne von US-Unternehmen zusätzlich belastet. Die Übergewichtung von US-Aktien, die aktuell für viele Investoren unausweichlich erscheint, könnte sich als problematisch herausstellen.

Autor:
Thomas Neuhold, CFA
Head of Austrian Equity Research, Head of Real Estate Research
Kepler Cheuvreux
31. August 2022

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Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.

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