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Aktuelle Marktanalyse: Schlusssprint?

Bernhard Haas

Die Vorzeichen standen nicht gut: Stark steigende Zinsen belasteten die globalen Aktienmärkte seit dem Frühjahr. Die Inflation war nachhaltiger, als so manch (zugegeben äußerst optimistischer) Investor am Plan hatte, was die heiß ersehnte Zinswende immer weiter nach hinten verschob. Zwar ist die Zeitlinie hier nicht ganz so weit wie beim heiligen Grahl der Energiewende, der Kernfusion (die laut einem berühmten Ausspruch seit über 40 Jahren in 10 Jahren marktreif sein soll). Bei den Zinsen sind es zum Glück nur 2 Quartale, die wir warten müssen, laut aktuellem Stand also im Sommer 2024. Um es auf gut österreichisch zu sagen: „Schau ma mal“. Zur in diesem Jahr allgegenwertigen Zinsthematik kam im November jedoch ein weiterer Negativpunkt hinzu: Der Krieg im Nahen Osten. In Anbetracht der schrecklichen Bilder, die uns aus der Region erreichen, treten Dinge wie das Marktgeschehen natürlich in den Hintergrund. Daher an dieser Stelle nur kurz die Auswirkungen auf die Märkte: Der Ölpreis zog stark an und befeuerte somit wiederum die Angst vor weiterer Inflation. Vor allem eine weitere Eskalation des Konflikts bereitete den Investoren Sorgen. Als sich abzeichnete, dass dies zunehmend unwahrscheinlich wurde, kehrten sich diese Befürchtungen um. Der Ölpreis fiel wieder, Zinsen sanken (leicht) und die internationalen Aktienmärkte setzten zur lange erwarteten Jahresendrally an, allen Problemen zum Trotz.  Gesucht waren zu Anfangs wie auch im Rest des Jahres vor allem Technologiewerte. Im Verlauf des Monats weitete sich die Rally jedoch auf die bisherigen Nachzügler aus. Dies dürfte vor allem an der Positionierung der Investoren liegen: Viele hatten den Anstieg verpasst und mussten nun Boden gut machen. Das geht natürlich am besten in Werten, die bisher noch nicht durch eine starke Entwicklung überzeugen konnten und somit „billig“ erscheinen. Letzter Punkt trifft vor allem auf den heimischen Markt zu, der in diesem Jahr ein Schattendasein fristete. Banken und zyklische Industriewerte sind in einem befürchteten Abschwung üblicherweise nicht die erste Wahl der Investoren. Die Unternehmensergebnisse waren in vielen Fällen zwar nicht so schlimm wie befürchtet, aber weniger schlecht bedeutet nun mal nicht gleich gut. In dieser mauen Grundstimmung finden nun Schnäppchenjäger einige Möglichkeiten vor. Die heimischen Banken sind nicht nur im historischen Vergleich günstig, auch die Dividendenrenditen können sich sehen lassen. Unsere Industrietitel zählen nach wie vor zu den Marktführern in ihren jeweiligen Nischen und können höhere Kosten (vor allem von der Personalseite) zumeist besser weitergeben als schwache Mitbewerber. Und selten aber doch findet man auch starke Wachstumsaktien wie Do & Co, um die uns wohl so mancher amerikanischer Fondsmanager beneiden würde. Hoffen wir also, dass die Aufbruchstimmung der letzten Wochen weitergeht und die Märkte zum Ende eines durchwachsenen Jahres nochmal zum Schlusssprint ansetzen. Ein Weihnachtsfriede und ein bisschen Ruhe würden uns allen wohl guttun.


Autor:
Mag. Bernhard Haas, CFA, Erste Asset Management GmbH
Fondsmanager
27. November 2023

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Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.
 

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