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Marktanalyse: Konjunkturausblick robuster als erwartet

Paul Severin

Industriekonjunktur in Österreich kühlt sich ab

Nach einem kräftigen Wachstum im Vorjahr, in dem die österreichische Wirtschaft Mitte 2018 ihren Höhepunkt erreichte, befindet sich die Konjunktur in einer Abschwung-Phase. Für das zweite Halbjahr 2019 erwartet das WIFO für die Konjunktur eine Stabilisierung1. Die Schwäche ist primär auf die Entwicklungen mit dem Haupthandelspartner Deutschland zurückzuführen und trifft hier vor allem das verarbeitende Gewerbe. Aber auch der private Konsum verlor in den letzten Quartalen deutlich an Dynamik. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Automobilindustrie, deren Produktion im zweiten Halbjahr 2018 deutlich sank.

Bei der Inflation rechnen die Analysten nur mit moderaten Anstiegen. Die Teuerung auf Basis des Verbraucherpreisindex wird nach 2,0 % im Vorjahr mit 1,7 % für 2019 erwartet. Der immer engere werdende Arbeitsmarkt hat bisher kaum Auswirkungen auf die Inflation. Der öffentliche Haushalt profitiert von der günstigen Konjunktur, einem Rückgang bei den Zinsausgaben und einem positiven Verlauf bei der Abwicklung der verstaatlichten Banken. Die Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht im Vorjahr laut Statistik Austria erstmals seit 1974 ein kleines Plus von 0,1 %.

 2016201720182019
erwartet
Reales BIP
in %
2,02,62,71,9
Inflationsrate
(VPI) in %
0,92,12,01,7
Arbeitslosenrate in %
(der Erwerbspersonen)
6,05,54,94,6
Budgetdefizit
in % d. BIP
-1,6-0,8-0,1+0,4

Quelle: WIFO, Statistik Austria, 29.03.2019

Notenbanken bei der Geldpolitik vorsichtig

Motiviert durch das kräftige Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre haben die Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften eine Politik der graduellen Normalisierung eingeleitet. Die US Notenbank ist hier Vorreiter und hat die Leitzinsen sukzessive auf 2,25 % (untere Bandbreite) angehoben. Aufgrund der jüngsten Konjunkturdaten aus den USA werden seitens der Marktteilnehmer vorerst keine weiteren Zinsschritte erwartet.

In der Eurozone ist das Ziel der Europäischen Zentralbanken die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors und damit der gesamten Wirtschaft in der Eurozone zu erhöhen. Erreicht werden soll das mit der Neuauflage des TLTRO-Programms, das langfristig günstige Liquidität für Banken in großer Menge zur Verfügung stellt. Zudem hat die EZB den frühestmöglichen Zeitpunkt für die erste Leitzinsanhebung auf Beginn 2020 verschoben. Der Spielraum der Geldpolitik ist jedoch eingeschränkt und die Ähnlichkeiten mit einer sogenannten Liquiditätsfalle („Japan-Szenario“) sind auffällig.

Hard Brexit oder Verlängerung der Verlängerung

Europa steht ganz unter dem Zeichen des Brexit. Die Anleihenmärkte haben bereits das Risiko eines Hard Brexit eingepreist. Die Renditen von 10-jährigen deutschen Bundesanleihen sind ins Minus gerutscht und zeigen wie risikoavers die Investoren derzeit sind. Der Brexit hält in Summe die europäischen Märkte in Schach. Wie auch immer das Thema ausgeht, Großbritannien kommt hier international betrachtet sehr schlecht weg.

ATX mit relativ hoher Dividendenrendite von 3,2 %

Der ATX als Leitindex der Wiener Börse konnte seit Jahresbeginn mit einem Plus von rund 14 % deutlich zulegen (per 08.04.2019). Damit lag die Performance über jener Deutschlands (DAX-Index +13 %) und in etwa auf dem Niveau von S&P 500-Index (+15 %). Mit dieser Erholung konnte ein Großteil der massiven Kursverluste im November und Dezember des Vorjahres wettgemacht werden.

Für den ATX spricht die fundamental günstige Bewertung. Auf Basis der erwarteten Unternehmensgewinne für 2019 beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis etwa 10,9 und damit deutlich unter jenem von Gesamteuropa mit 14,3 (Quelle: Bloomberg, Factset).

Solange der positive Gewinntrend anhält, werden auch die Aktienkurse diesem Trend folgen. Die Dividendenrendite in Höhe von 3,1 % (per 31.03.2018) bleibt angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ein Kaufargument. Solange keine Rezession in Sicht ist, haben Dividendentitel gegenüber Staatsanleihen weiter die Nase vorn.

Wertentwicklung ATX-Index, DAX-Index und S&P 500-Index (- 5 Jahre; per 05.04.2019)

Wertentwicklung ATX-Index, DAX-Index und S&P 500-Index (- 5 Jahre; per 5.4.2019)

Hinweis: Wertentwicklung ohne Berücksichtigung von Spesen, Gebühren und Steuern; Vergangene Wertentwicklungen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen

1 <link konjunktur.wifo.ac.at/index.php für 2019 und 2020</link>


Autor:
Paul Severin
Head of Communications Erste Asset Management
Vorstandsmitglied ÖVFA
8. April 2019

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