Das dritte Quartal war für Emerging Europe das bisher schlechteste Quartal des Jahres 2015. Die Märkte sind in allen drei Monaten des Quartals gefallen. Die Griechenlandkrise, die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in China, fallende Rohstoffpreise, schwächelnde Lokalwährungen, das von der Fed angedeutete Risiko eines Wirtschaftsabschwungs oder auch der Abgasskandal bei VW – all das gehört zu den Hauptfaktoren, welche entweder die Region insgesamt oder bestimmte Märkte negativ beeinflussten. Mit einem Minus von 15,6% lag Emerging Europe (gemessen am MSCI Emerging Europe Index auf Eurobasis) hinter den entwickelten Märkten, die im dritten Quartal auf ein Minus von 8,6 % (global) bzw. 8,9 % (Europa) kamen. Hingegen wurden im angegebenen Zeitraum die globalen Emerging Markets, die eine Entwicklung von -18,1 % aufweisen, übertroffen. Gemessen an den lokalen Benchmarks waren alle Märkte negativ, die Verluste bewegten sich zwischen -36 % und -3,6 %.

Länderüberblick

Der Markt mit der schlechtesten Performance der gesamten Region war Griechenland (-36 %). Fast der gesamte Verlust entstand in den ersten drei Handelstagen des August nach der Wiedereröffnung des Marktes. Den ganzen Juli über war die Aktienbörse von Athen geschlossen, nachdem die Regierung am 29. Juni Kapitalverkehrskontrollen eingeführt hatte. Nachdem der „Grexit“ abgewendet und das dritte Rettungspaket mit der Troika vereinbart war, ist der Markt am ersten Handelstag sofort auf die maximal möglichen Limits gefallen. In den Tagen danach hat sich die Situation stabilisiert, allerdings blieben die Banken unter Druck, da ihre Erfordernisse zur Rekapitalisierung ihre aktuellen Unternehmenswerte signifikant schwächen können.Politische Instabilität war der wichtigste Einflussfaktor in der Türkei. Erfolglose Verhandlungen zwischen der AKP und ihren potenziellen Koalitionspartnern über eine Regierungsbildung nach der Wahl im Juni führten zur Ausrufung von Neuwahlen, die für November angesetzt wurden. Verstärkte Terroranschläge und neuerliche Militäroperationen der Türkei gegen den IS und gegen Kurden haben ebenfalls substanziell zur Verunsicherung beigetragen. Der MSCI Türkei Index verlor im dritten Quartal 19,7 %, nachdem vor allem Banken und Minenaktien gefallen sind. Die türkische Lira hat sich ebenfalls weiter abgeschwächt (-13,1 %) und hat erstmals in der Geschichte über dem Level von 3 TRY/USD geschlossen.

Die Preisrückgänge bei Öl und anderen Rohstoffen waren in den vergangenen drei Monaten die bestimmenden Faktoren bei russischen Aktien. Brent Rohöl fiel um 25,8 %, Kupfer um 10,7 % und der weiter gefasste CRB Rohstoff Index kam auf -14,7 %, was nahezu deckungsgleich mit -15 % des MSCI Russland Index ist. Der Rubel fiel um 18,7 % auf 65 RUB/USD. Einige russische Rohstoffexporteure profitierten von der schwächeren Währung, die den negativen Einfluss der niedrigeren Rohstoffpreise mehr als kompensierte. Allerdings litten Öl- und Gastitel unter Gerüchten über Pläne für neue Steuern, mit deren Hilfe die Budgeteinnahmen erreicht werden sollen, die wegen des fallenden Ölpreises rückläufig sind. Die Wirtschaft Russlands brachte im September eine Reihe von schwachen Makrodaten hervor: fallende Industrieproduktion, steigender Verbraucherpreisindex, rückläufige Einzelhandelsumsätze, und auch der Einkaufsmanager-Index überraschte negativ.

Die am 25. Oktober stattfindenden Wahlen und politische Statements gegenüber Banken, Minenunternehmen oder Einzelhandelsunternehmen waren die bestimmenden Marktfaktoren in Polen. Neue Bankensteuern und Lösungsvorschläge für die Problematik der CHF-Kredite könnten die Profitabilität des Bankensektors signifikant beeinträchtigen. Die in den Umfragen führende PiS Partei hat auch Pläne angekündigt, eine Umsatzsteuer für Einzelhändler einzuführen. Steigende Volatilität und populistische Wahlkampf-Rhetorik haben die Investoren teilweise beunruhigt und der polnische Markt ist – gemessen am MSCI Index – um 11 % gefallen (auf Euro-Basis).

Tschechien und Ungarn waren „sichere Häfen“ – nicht nur innerhalb von Emerging Europe sondern auch aus Sicht der globalen Emerging Markets. Mit Rückgängen von 6,9 % bzw. 3,6 % haben die Märkte mit ihren ausgezeichneten makroökonomischen Daten sogar die Indizes der entwickelten Märkte übertroffen. Tschechien hat das BIP-Wachstum für das zweite Quartal auf 4,6 % hinaufrevidiert, was der zweithöchste Wert in der Europäischen Union ist. In Ungarn hat der ESI-Index der Europäischen Kommission den höchsten Wert seit 12 Monaten erreicht, woraus sich schließen lässt, dass das BIP-Wachstum im dritten Quartal leicht über den 3,1 % liegen dürfte, die im ersten Halbjahr 2015 erreicht wurden. Hauptverantwortlich dafür ist der Konsum, nachdem die Einzelhandelsumsätze um 7 % gestiegen sind. Im September haben diese beiden Märkte allerdings einen Teil der vorangegangenen Gewinne wieder abgegeben, da der VW-Skandal Fragen über seinen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum aufwarf, angesichts der Tatsache, dass die Automobilindustrie ein entscheidender Faktor für die Exporte und die BIP-Zahlen ist.

Sektorüberblick

Fast alle Sektoren sind in der Region im dritten Quartal gefallen. Einzige Ausnahme war Health Care. Dieser Sektor war positiv wegen der starken Entwicklung des Arzneimittelherstellers Gedeon Richter, nachdem „Cariprazine“, ein neues Medikament bei Schizophrenie und bipolaren Störungen, in den USA die Zulassung erhalten hatte. Der Sektor mit der schlechtesten Entwicklung waren Finanztitel, vor allem griechische, aber teilweise auch türkische Banktitel fielen signifikant, wobei die am besten performende Bank in der Region Erste Bank war. Gleich nach den Banken folgten bei den schlechtesten Performern Telekomtitel, was vor allem an türkischen Betreibern liegt, die unter den hohen Priesen bei den Auktionen für die Frequenzen der nächsten Generation litten. Komplettiert wurde die Liste der schlechtesten Performer von den Versorgern, angeführt von polnischen Titeln wegen ihrer Rolle bei den Restrukturierungsplänen für Kohlenminen.


Autor:
Petr Zajíc
Senior Fund Manager, EMEA Equities
Pioneer Investments Austria GmbH
16. Oktober 2015

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